T.C. Boyles Roman »Die Terranauten« aus dem Jahre 2016 ist ganz sicher nicht jedermanns Sache.
Es geht in dem Text um ein wissenschaftliches Experiment, bei dem sechs Protagonisten in einer hermetisch abgeschlossenen Ökosphäre für zwei Jahre überleben und sich selbst versorgen müssen.
Nichts rein, nichts raus, heißt es, und die sechs Pioniere sind eisern entschlossen, diesen Grundsatz einzuhalten.
Das Ganze fußt auf dem wissenschaftlichen Experiment »Biosphäre 2« aus den Jahren 1991 – 2007. Zwei Versuche wurden hier unternommen, beide gelten offiziell als gescheitert. (Bei der zweiten
Mission hatte übrigens der alte Bekannte Stephen Bannon die Leitung inne, vielleicht kann man sagen, dass er damals noch einen Hauch Sinnvolles zu tun hatte.)
Boyle lehnt sich also an die zweite Mission an, beschreibt den Aufbau und die Durchführung des Experimentes, er hält sich lose an den Ereignissen von 1994, die sich allerdings schon dadurch vom Text unterscheiden, dass die historische Gruppe sich nur sechs Monate in der künstlichen Umwelt aufhielt.
Wissenschaftlich Neugierige sollten also ihr Vergnügen an dem Roman haben; haben sie aber nicht, denn Boyle hat vielmehr Interesse an den Figuren als an dem wissenschaftlichen Grundgerüst des Versuchs. Er streift die technischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen nur dann und wann und handelt sie nicht im entferntesten bis zum Ende ab, so dass ein Science-Roman ganz bestimmt nicht herausgekommen ist.
Die Figuren. Der Roman gibt sich den Anschein, etwas über die Dynamik in geschlossenen Gruppen zu erzählen, versucht er wahrscheinlich auch. Dann und wann packt er den Leser auch mit einigen Passagen, doch im Großen und Ganzen aber bleiben die Motive der Protagonisten sehr im Vagen, die Charaktere sind eher blass. Hierin ähnelt der Roman eher einer Soap als einem psychologisch versierten Konstrukt.
Boyle ist schon ein Super-Schriftsteller, ganz ohne Zweifel. Oft genug blitzt seine Genialität auch in diesem Werk auf. Aber ich weiß nicht, ob er sich im Sinne einer stringenten Handlung einen
Gefallen getan hat, als er beschloss, aus drei verschiedenen Sichtweisen zu erzählen. Als Leser muss ich mich immer wieder umorientieren, jedes Kapitel neu erschließen.
Dabei gelingt Boyle wirklich, die einzelnen Stimmen (zwei vom Inneren und eine außerhalb der Ökosphäre 2) zum Leben zu erwecken, mit allerlei Charakteristika der jeweiligen Figur.
Aber, wie gesagt, das ganze auf dem Niveau einer Seifenoper, mit den kleinen Weh-Wehchen der Sternchen.
Stilistisch – auch wenn Boyle ein Könner ist – sind mir immer wieder Bandwürmer aufgefallen; Sätze, die einen Nachsatz beinhalten, der so überflüssig ist wie ein Kropf, und die erst richtig wirken, wenn man diesen Nachsatz weglässt. Schlechtes Lektorat!
Zudem kommt der Fakt, dass man vergeblich auf einen wirklichen, einen starken Konflikt wartet. Zur Mitte des Romans wird einer aufgetan, doch der entpuppt sich – nicht zuletzt wegen der fehlenden
oder schlecht dargebrachten Motivationen – als weiche Mogelpackung und für den Roman als nicht tragend.
Für eine spannende Handlung aber ist ein tiefgehender, kaum aufzulösender Konflikt unabdingbar.
Was bleibt, ist ein Roman, den man sicher lesen kann, wenn man sich für das Thema interessiert. Aber die Fingernägel wird man sich dabei sicherlich nicht knabbern.