"Sleep Tight" aus dem Jahre 2011 ist ein spanischer Thriller, der auf sehr perfide Weise mit den normalen Ängsten des Jedermann vor Vertrauensmissbrauch und Verletzbarkeit der letzten Rückzugssphäre - des eigenen Wohnraums - spielt.
Jaume Balagueró ist als Regisseur vor allem der »REC«-Filme bei uns bekannt. Nicht jedermanns Sache, sicherlich. Vor allem auch, weil es sich hierbei um sehr gut gemachte Genrefilme handelt,
Zombie- und pseudodokumentarischer Filme, die zumindest in Teilen innovativ waren.
Handelten diese Filme vor allem von äußerlicher Gewalt, bietet Sleep Tight in der Hauptsache psychologische Gänsehautmomente, die sich bei manchem in der Kleinhirnrinde einbrennen werden:
Hausmeister und Concierge César verfolgt von seiner Rezeption das Treiben in einem Mietshaus in Barcelona und kennt die vielen kleinen Schwächen und Freuden der einzelnen Bewohner. Von den
meisten wird er kaum wahrgenommen, wie er hinter seiner Theke aufsteht und einen »Guten Morgen« wünscht, wenn sie an ihm vorbeihasten. Nur die hübsche, junge Clara grüßt ihn immer freundlich, hat
stets ein nettes Wort für ihn und ist dann und wann auf seine Hilfe angewiesen.
Sie weiß nicht, dass César Nacht für Nacht in ihrer Wohnung verbringt, mehr noch, unter ihrem Bett, um dann, wenn sie schläft, sie zu betäuben und zu ihr in die Laken zu steigen.
Hausmeister César ist im Grunde das absolut Böse, das Niederträchtige in uns. Denn ihm geht die Fähigkeit zum Glücklichsein ab - er sagt selbst, er wurde ohne dieses Merkmal geboren, wie andere
ohne das Augenlicht - und weil er nicht glücklich sein kann, verleidet er anderen diese Möglichkeit ebenso.
Wie er unter Claras Bett liegt, geduldig darauf wartet, dass sie einschläft, als wäre er selbst ein Mobiliar in ihrer Wohnung, das macht Gänsehaut, ein wirklich genialer Dreh des Autors! Auch
wenn dieser Handlungsstrang nicht bis zum wirklich bitteren Ende durchgespielt wird (letztlich begnügt man sich, einen wirklich guten Thriller abzuliefern), ist der Gedanke sehr reizvoll: Wer von
uns hat nicht mal mit sich selber gesprochen, einen fahren lassen oder in der Nase gebohrt, wo er im nächsten Augenblick dachte: Wie gut, dass mich niemand beobachtet hat. Der Film zeigt uns,
dass wir in dieser Hinsicht niemals sicher sein können (mit dem Berührungspunkt zur Wirklichkeit, Stichwort NSA(!), hätte der Film ein richtig großer werden können, aber, wie gesagt, diese
Möglichkeit verschenkt er).
Unter dem Strich ein handwerklich und künstlerisch gut gemachter, ein angsteinflößender Thriller, dem das letzte Quäntchen zu einem modernen Klassiker fehlt.
Empfehlenswert in jedem Falle!