Zwei Romane, die aktueller kaum sein können (na ja, abgesehen, sie handelten von Islamisten und Karrikaturisten), die beide das Thema Überwachung und Anonymität auf ihre eigene Weise
behandeln und eigentlich zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen.
Eggers‘ »Der Circle« ist mehr eine Dystopie, orientiert an den Klassikern »Schöne neue Welt«, »1984« oder - weiter zurück und in jedem Falle entdeckenswert! - »Wir« von Jewgenij Samjatin.
Elsberg ist der Meinung, das Thema actionhafter und zur Spannung tendierend angehen zu müssen.
Worum geht es?
»Der Circle« ist eine Internet-Firma, die angesagter kaum sein kann. Bei den jungen, angesagten Leuten rangiert der Circle noch lange vor Google oder Apple. Dementsprechend groß ist auch der
Anteil ihres Lebens, den sie der Firma widmen. Denn der Circle fordert alles von ihnen, unbedingte Loyalität und Hingabe, dafür bietet er die kuschlige Atmosphäre einer Familie und die
Gewissheit, stets auf der Seite der Guten zu stehen.
Mae Holland ist entzückt, einen Job bei diesem Online-Riesen ergattert zu haben, sie bringt sich ein, steigt höher in der Gunst der Bosse und schließlich wird sie selbst zu dessen besten Kunden,
indem sie sich gläsern macht und für alle durchsichtig. Denn der »Cicle« bietet für seine Kunden eine Identität für alle - wirklich alle! - Bereiche des Lebens an.
Wie Mae sich immer mehr in die Arme der »Familie« begibt, ihre eigene dafür aufgibt und ins Unglück stürzt, wie das alles auf uns und unser Leben wirkt, ist Inhalt dieses Romans.
Elsberg mit seinem »Zero« geht einen anderen Weg: Er stellt sich vor, wie es mit den heute schon möglichen Mitteln in einer Gesellschaft morgen wohl aussehen könnte. Die Google-Brille,
Applikationen, die massiv in unser Leben eingreifen und eigentlich nur zur Informationsbeschaffung gedacht sind, Hacker und ein Internet-Aktivist namens Zero. Elsberg fährt sehr viel Gerät auf,
um seine Botschaft zu vermitteln, dabei ist ihm ein Thriller gelungen, der aktuell ist, rasant geschrieben und gut recherchiert.
Hier wird das Moment der Spannung hervorgehoben, so dass das Buch gut zu lesen ist und eigentlich auch als reine Unterhaltung durchgehen könnte.
Was es natürlich nicht ist, schon allein des Themas wegen, seiner Brisanz und der Aktualität.
Wir gehen alle immer noch allzu sorglos mit unseren Daten um, sehr oft wird die Meinung vertreten: Ich hab nichts zu verbergen, also kann man alles von mir wissen. Wie schnell diese Meinung in
die Hose gehen kann, Tote zu beklagen sind, ja sogar der Weg in ein totalitäres System geebnet wird, das zeigt »Der Circle« auf beklemmende Weise. Man ist versucht der jungen Mae zuzurufen:
»Mädel, überleg doch mal, was du tust!« Auf der anderen Seite entdeckt man immer wieder Verhaltensweisen, die man bei sich selbst ebenso vermuten könnte.
Sehr gut geschrieben ist der »Circle« ebenfalls, allerdings auf einem etwas höheren Niveau. Vermutlich tut die gewöhnungsbedürftige Erzählperspektive von »Zero« ein Übriges.
Ich kann beide Romane empfehlen - wenn es auch nur wegen des Interesses an der Thematik geschieht.
Wer Spannung liebt, aber den Anspruch nicht missen möchte, sollte zu »Zero« greifen.
Wirklich ungetrübten Lesegenuss bietet »Der Circle« von Dave Eggers.